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Wenn wir einen Vorgang beschreiben, eine Rechnung aufstellen oder einen Baum fotografieren, schaffen wir Modelle; ohne sie wüssten wir nichts von Wirklichkeit und wären Tiere. Abstrakte Bilder sind fiktive Modelle, weil sie eine Wirklichkeit veranschaulichen, die wir weder sehen noch beschreiben können, auf deren Existenz wir aber schließen können.

Text für Katalog documenta 7 1982, 1982 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Sich ein Bild machen, eine Anschauung haben, macht uns zu Menschen – Kunst ist Sinngebung, Sinngestaltung, gleich Gottsuche und Religion.

Notizen 1962, 1962 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wenn ich ein Abstraktes Bild (bei den anderen ist die Problematik nicht unähnlich) male, weiß ich weder vorher, wie es aussehen soll, noch während des Malens, wohin ich will, was dafür zu tun wäre. Deshalb ist das Malen ein quasi blindes, verzweifeltes Bemühen, wie das eines mittellosen, in völlig unverständlicher Umgebung Ausgesetzten – wie das von einem, der ein bestimmtes Sortiment von Werkzeugen, Materialien und Fähigkeiten besitzt und den dringenden Wunsch hat, etwas Sinnvolles, Brauchbares zu bauen, das aber weder ein Haus noch ein Stuhl noch sonst irgend etwas Benennbares sein darf, der also draufloshaut in der vagen Hoffnung, dass sein richtiges, fachgerechtes Tun letzlich etwas Richtiges, Sinnvolles zustande kommen lässt.

Notizen 1985, 1985 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die Abstrakten Bilder sind nicht weniger beliebig als alle gegenständlichen Darstellungen (die auf einem x-beliebigen Motiv beruhen, das Bild werden soll), sie unterscheiden sich nur insofern, als ihr ,Motiv‘ erst während des Malens entwickelt wird. Sie setzen also voraus, dass ich nicht weiß, was ich darstellen will, wie ich beginnen sollte, und dass ich nur sehr unklare und stets falsche Vorstellungen von dem zu verbildlichenden Motiv habe – dass ich also, nur von Ignoranz und Leichtsinn motiviert, anzufangen in der Lage bin. (Das ,nur‘ steht für Leben!)

Notizen 1985, 1985 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Manchmal wirken Ihre abstrakten Bilder wie Landschaften. Suchen Sie in der Abstraktion erneut den Realismus?
Ich glaube, ich suche Genauigkeit. Mein Werk hat insoweit mit der Realität zu tun, dass ich möchte, dass es eine ähnliche Genauigkeit hat. Das schließt nachmalen aus. In der Natur stimmt immer alles: Die Struktur ist richtig, die Proportionen stimmen, die Farben passen zu den Formen. Wenn man das nachmalt, wird es falsch.

Interview mit Anna Tilroe 1987, 1987 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Sie haben 1976 angefangen, abstrakte Bilder zu malen, um etwas zu machen, dessen Erscheinung Sie sich vorher nicht vorstellen können. Sie haben damit also eine für Sie ganz neue Methode entwickelt. War das so etwas wie ein Experiment?
Ja. Das fing 1976 an mit kleinen abstrakten Bildern, die mir erlaubten, all das zu machen, was ich mir vorher verboten hatte: einfach willkürlich etwas hinzusetzen, um dann zu merken, dass es nie willkürlich sein kann. Dies geschah, um mir eine Tür zu öffnen. Wenn ich nicht weiß, was da entsteht, also kein festes Bild habe wie bei einem Foto, das ich abmale, dann spielen Willkür und Zufall eine wichtige Rolle.

Interview mit Sabine Schütz 1990, 1990 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Da es keine absolute Richtigkeit und Wahrheit gibt, streben wir immer die künstliche, führende, eben menschliche Wahrheit an. Wir werten und machen eine Wahrheit, die andere ausschließt. Die Kunst ist ein bildender Teil dieser Wahrheitsfindung.

Notizen 1962, 1962 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Es geht um keine Lehre bei einem Kunstwerk. Bilder, die deutbar sind und die Sinn enthalten, sind schlechte Bilder. Ein Bild stellt sich dar als das Unübersichtliche, Unlogische, Unsinnige. Es demonstriert die Zahllosigkeit der Aspekte, es nimmt uns unsere Sicherheit, weil es uns die Meinung und den Namen von einem Ding nimmt. Es zeigt uns das Ding in seiner Vielbedeutigkeit und Unendlichkeit, die eine Meinung und Ansicht nicht aufkommen lassen.

Notizen 1964–1965, 1964-65 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die Kunst ist nicht Religionsersatz, sondern Religion (im Sinne des Wortes, ,Rückbindung', ,Bindung' an das nicht Erkennbare, Übervernünftige, Über-Seiende). Das heißt nicht, dass die Kunst der Kirche ähnlich wurde und ihre Funktion übernahm (die Erziehung, Bildung, Deutung und Sinngebung). Sondern weil die Kirche als Mittel, Transzendenz erfahrbar zu machen und Religion zu verwirklichen, nicht mehr ausreicht, ist die Kunst, als verändertes Mittel, einzige Vollzieherin der Religion, das heißt Religion selbst.

Notizen 1964–1965, 1964-65 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Nachdem es keine Priester und Philosophen mehr gibt, sind die Künstler die wichtigsten Leute auf der Welt. Das ist das Einzige, was mich interessiert.

Notiz 1966, 1966 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wie würden Sie Ihre Rolle als Maler in unserer Gesellschaft interpretieren?
Als Rolle, die jeder hat. Ich möchte versuchen, das zu verstehen, was ist. Wir wissen sehr wenig, und ich versuche es so, dass ich Analogien schaffe. Analogie ist eigentlich fast jedes Kunstwerk. Wenn Uecker nagelt, dann ist das kein Abbild, sondern er schafft eine Analogie zu etwas, was besteht. Wenn ich etwas abbilde, so ist das auch eine Analogie zu dem Bestehenden, und ich bemühe mich, es einfach in den Griff zu kriegen, indem ich es abbilde. Ich möchte alles Ästhetische vermeiden, um mir nichts in den Weg zu stellen und kein Problem zu haben, wo man sagt: „Aha, so sieht der die Welt, das ist seine Interpretation.‟

Interview mit Rolf-Gunter Dienst 1970, 1970 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die Kunst ist die höchste Form von Hoffnung.

Text für Katalog documenta 7 1982, 1982 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Es gab ja andererseits Versuche, Sie auch mit einem Etikett zu versehen. 'Kapitalistischer Realismus' war so ein Stichwort, das man Ihnen aufgeklebt hat. Die Formulierung stammt sogar von Ihnen selber.
Ja, da haben wir uns sehr gewundert, das war für uns ein Witz. Wir haben ein Happening gemacht, der Konrad Lueg und ich, und haben das Wort nur für dieses Happening gebraucht, um einen attraktiven Namen zu haben, und dann ist das gleich verwendet worden. Da kann man sich nicht wehren, und das ist auch nicht schlimm.

Interview mit Wolfgang Pehnt 1984, 1984 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Könnten Sie mir etwas über Ihr Manifest des Kapitalistischen Realismus erzählen?
Das war ein Stück, das ich 1963 mit Konrad Lueg in der Möbelabteilung eines Warenhauses gemacht habe. In einigen Zeitungen war es als Ausstellungs-Eröffnung angekündigt, aber die Leute, die kamen, wussten nicht, dass es eine Art Happening sein sollte. Ich bin jedenfalls nicht ganz einverstanden damit, dass es so berühmt geworden ist. Es war einfach ein großer Spaß, und der Begriff Kapitalistischer Realismus traf den Nagel auf dem Kopf. Aber es war nichts Großartiges.

Interview mit Dorothea Dietrich 1985, 1985 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ich kam aus Dresden, und da gab es den Sozialistischen Realismus – und dann kamen der Konrad Lueg und ich mehr aus Ironie darauf, da ich ja hier im Kapitalismus lebe. Realistisch sollte es schon sein, aber eine andere Form, die kapitalistische eben. Das ist nicht so ernst zu nehmen. Es war mehr ein Slogan für dieses Happening, das wir in dem Möbelhaus gemacht haben.

Interview mit Christiane Vielhaber 1986, 1986 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die Kunst ist die reine Verwirklichung der Religiosität, der Glaubensfähigkeit, Sehnsucht nach ,Gott‘. […] Die Fähigkeit zu glauben ist unsere erheblichste Eigenschaft, und sie wird nur durch die Kunst angemessen verwirklicht. Wenn wir dagegen unser Glaubensbedürfnis in einer Ideologie stillen, richten wir nur Unheil an.

Notizen 1988, 1988 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Was bedeutet Dir der Begriff „Informel‟ heute?
All diese Beispiele, Tachisten und Action-Painting-Artisten, Informelle und so weiter, sind für mich nur ein Teil einer informellen Bewegung, die eben vieles andere betrifft. Beuys hat für mich auch das Informel, aber es fing an mit Duchamp und dem Zufall, mit Mondrian oder mit den Impressionisten. Das Informelle ist das Gegenteil der konstruktiven Qualität der Klassik, also der Zeit der Könige, der klar gestalteten Hierarchien.

Du siehst Dich also in diesem Zusammenhang weiterhin als informeller Künstler?
Ja, grundsätzlich. Das informelle Zeitalter hat ja gerade erst begonnen.

Interview mit Hans Ulrich Obrist 1993, 1993 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die amerikanische Pop Art hat sich im Allgemeinen auf in der Öffentlichkeit verbreitete Bilder und die kommerzielle Kultur konzentriert. Aber Du hast mir gesagt, dass Polke, Lueg und Du eine breitere Erfahrung darstellen wolltet, eine umfassendere Sicht der Realität. Könntest Du noch etwas mehr über diese umfassendere Sicht im Verhältnis zum Blickwinkel der amerikanischen Pop Art sagen?
Vielleicht hatten wir gar keine Chance. Die Aussage der amerikanischen Pop Art war so kraftvoll, so optimistisch, aber auch so limitiert, dass wir denken konnten, da kann man sich nur von absetzen und ein anderes Anliegen unterbringen.

Was war daran anders?
Wir konnten nicht denselben Optimismus produzieren und dieselbe Art von Humor oder Ironie. Roy Lichtenstein hat eine spezielle Art von Humor. Bei Polke und mir war das alles gebrochener. Aber wie, das ist für mich schwer zu beschreiben.

MoMA-Interview mit Robert Storr 2002, 2002 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ein Student hat bei seinen Forschungen tatsächlich die Zeitungen und Zeitschriften ausfindig gemacht, aus denen diese Bilder stammen, und festgestellt, dass viele davon Illustrationen zu einer Sammlung von grausigen Geschichten sind, Mord und Selbstmord; das ist etwas ganz anderes als die Bilder selbst. Es gibt einen Kontrast zwischen der Botschaft des Textes und der, die die Illustration unter Verschluss hält.

Kommentare zu einigen Bildern 1991, 1991 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Aber der Anlass war eher mein Wunsch nach Ordnung und Übersicht. Die vielen Schachteln voller Fotos und Skizzen bedrücken ja nur als etwas ganz Unerledigtes. Da ist es schon besser, die brauchbaren Sachen ordentlich herzurichten und den Rest wegzuwerfen. So entstand dieser Atlas, den ich dann paarmal ausgestellt habe.

Interview mit Stefan Koldehoff 1999, 1999 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Der Atlas gehört ja schon längst nicht mehr mir, sondern dem Lenbachhaus in München. Ab und zu sehe ich ihn irgendwo wieder und finde es dann interessant, dass er jedesmal etwas anders aussieht.

Interview mit Stefan Koldehoff 1999, 1999 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Beim Durchblättern des Atlas lässt sich erkennen, dass Sie in den letzten Jahren weniger Fotografien tatsächlich in Malerei umsetzen. Sind Sie in Ihrem Auswahlprozess strenger geworden?
Vielleicht auch, aber es hängt insgesamt davon ab, dass ich viel mehr fotografiert habe in all den Jahren, so dass ich gar nicht mehr daran denken konnte, es zu malen. Da war der Atlas auch eine Möglichkeit, die Fotos wie in einem Tagebuch zu sammeln, abzulegen, zu erledigen.

Interview mit Astrid Kasper 2000, 2000 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die ersten Farbtafeln waren unsystematisch. Sie wurden unmittelbar nach den in den Fachgeschäften ausliegenden Farbmusterkarten gemalt. Sie zeigten noch eine Nähe zur Pop Art. In den folgenden Werken wurden willkürlich gewählte Farben nach dem Zufallsprinzip angeordnet. Dann wurden 180 Farbtöne nach einem bestimmten System angemischt und ihre Verteilung auf der Bildfläche wurde ausgelost, woraus sich vier Variationen von 180 Farbtönen ergaben. Da mir schließlich die Zahl ,180‘ zu willkürlich vorkam, habe ich ein System entwickelt, das auf einer Anzahl von streng definierten Farbtönen und Proportionen beruht.

Interview mit Irmeline Lebeer 1973, 1973 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ausgehend von drei Grundfarben plus Weiß und Schwarz erreiche ich eine gewisse Anzahl von möglichen Farben, und wenn ich sie mit zwei oder vier multipliziere, erreiche ich eine bestimmte Anzahl von Farbfeldern, die ich wiederum mit zwei usw. multipliziere. Die Durchführung dieses Projektes kostet aber viel Mühe und Zeit.

Interview mit Irmeline Lebeer 1973, 1973 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

1024 Farben in 4 Permutationen
Um alle vorkommenden Farbtöne auf einem Bild darstellen zu können, entwickelte ich ein System, das – ausgehend von den drei Grundfarben plus Grau – in stets gleichmäßigen Sprüngen eine immer weitergehende Aufspaltung (Differenzierung) ermöglichte. 4 x 4 = 16 x 4 = 64 x 4 = 256 x 4 = 1024. Die Zahl ,4‘ als Multiplikator war notwendig, weil ich eine gleichbleibende Proportion von Bildgröße, Feldgröße und Felderanzahl erhalten wollte. Die Verwendung von mehr als 1024 Farbtönen (z. B. 4096 erschien mir sinnlos, da dann die Unterschiede von einer Farbstufe zu nächsten nicht mehr sichtbar wären.
Die Anordung der Farbtöne auf den Feldern erfolgte per Zufall, um eine diffuse, gleichgültige Gesamtwirkung zu erzielen, während das Detail anregend sein kann. Das starre Raster verhindert die Entstehung von Figurationen, obwohl diese mit Anstrengung sichtbar werden können. Diese Art von künstlerischem Naturalismus ist ein Aspekt, der mich fasziniert wie die Tatsache, dass, wenn ich alle möglichen Permutationen gemalt hätte, das Licht über 400 Billionen Jahre brauchte, um vom ersten bis zum letzten Bild zu kommen. Ich wollte vier große bunte Bilder malen.

Katalogtext für Gruppenausstellung im ,Palais des Beaux Arts‘, Brüssel 1974, 1974 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wenn Du also '66 angefangen hast, nicht-figurative Bilder, Farbtafeln zu malen, hing das auch mit einer sehr direkten Konfrontation mit der aufkommenden Minimalkunst zusammen? War das wiederum eine Konfliktsituation mit der amerikanischen Dominanz oder war das auch durch eigene Entwicklung, die hier im engen lokalen Bereich in Düsseldorf begründet war? Durch die Begegnung mit Palermo vielleicht?
Das hing sicher auch mit Palermo und seinen Interessen und später auch mit der Minimalkunst zusammen; aber als ich 1966 die Farbtafeln gemalt habe, hatte das doch mehr mit Pop Art zu tun. Es waren ja abgemalte Farbmusterkarten, und der schöne Effekt dieser Farbmuster war, dass sie so gegen die Bemühungen der Neo-Konstruktivisten, Albers etc. gerichtet waren.

Interview mit Benjamin H. D. Buchloh 1986, 1986 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die Idee der Farbfelder entstand schon 1966 und die Beschäftigung damit endete 1974 mit einem Bild, das aus 4096 Farbfeldern [WVZ: 359] bestand.
Anfangs reizte mich die für die Pop Art typische Ästhetik der handelsüblichen Farbmusterkarten, mir gefiel die unkünstlerische geschmackvolle und profane Darstellung der Farbtöne besser als die Gemälde von Albers, Bill, Calderara, Lohse etc.

Notizen zu einer Pressekonferenz, 28. Juli 2006, 2006 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Etwas später interessierte mich mehr die neutrale und systematische Erfassung aller Farben, die wir sehen können, und damit verbunden deren vom Zufall bestimmte Platzierung auf der Bildfläche. Mit dieser Methode vermied ich die Kreation von Farbigkeit und Gestalt aller Konfigurationen im Bild und hatte nur noch das Bildformat, die Proportionen des Rasters und die Stofflichkeit des Materials zu bestimmen. Die so entstandenen Bilder haben eine Tendenz zur absoluten Vollkommenheit und imaginieren die quasi unendliche Anzahl möglicher Bilder.

Notizen zu einer Pressekonferenz, 28. Juli 2006, 2006 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Zur Systematik der Farbskala:
Ausgang sind die 4 reinen Farben Rot, Gelb, Grün und Blau; deren Zwischentöne und Helligkeitsstufen ergeben die Farbskalen mit 16, 64, 256 und 1.024 Farbtönen. Mehr Farbtöne wären sinnlos, weil sie sich nicht mehr deutlich voneinander unterscheiden lassen.

Notizen zu einer Pressekonferenz, 28. Juli 2006, 2006 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Als ich anfangs (vor ungefähr acht Jahren) einige Leinwände grau zustrich, tat ich das, weil ich nicht wusste, was ich malen sollte oder, was zu malen wäre, und es war mir klar, dass so ein erbärmlicher Anlass auch nur unsinnige Resultate zur Folge haben konnte. Mit der Zeit jedoch bemerkte ich Qualitätsunterschiede zwischen den Grauflächen und auch, dass diese nichts von der destruktiven Motivation zeigten. Die Bilder fingen an, mich zu belehren. Indem sie das persönliche Dilemma verallgemeinerten, hoben sie es auf […].

Aus einem Brief an Edy de Wilde 23.2.1975, 1975 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Grau. Es hat schlechthin keine Aussage, es löst weder Gefühle noch Assoziationen aus, es ist eigentlich weder sichtbar noch unsichtbar. Die Unscheinbarkeit macht es so geeignet zu vermitteln, zu veranschaulichen, und zwar in geradezu illusionistischer Weise gleich einem Foto. Und es ist wie keine andere Farbe geeignet, ,nichts‘ zu veranschaulichen.

Aus einem Brief an Edy de Wilde 23.2.1975, 1975 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Grau ist für mich die willkommene und einzig mögliche Entsprechung zu Indifferenz, Aussageverweigerung, Meinungslosigkeit, Gestaltlosigkeit. Weil aber Grau, genau wie Gestaltlosigkeit und so fort, nur als Idee wirklich sein kann, kann ich auch nur einen Farbton herstellen, der Grau meint, aber nicht ist. Das Bild ist dann die Mischung von Grau als Fiktion und Grau als sichtbarer proportionierter Farbfläche.

Aus einem Brief an Edy de Wilde 23.2.1975, 1975 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Was bedeutet auf Ihre Kunst übertragen, dieser Begriff „Unversehrtheit‟?
Das ist ein Idealzustand. Die grauen Bilder zum Beispiel, eine grau angestrichene Fläche, ganz monochrom, sind erstmal, von der Motivation her, aus einem Grund entstanden, der eher sehr negativ war. Das hat viel zu tun mit Ausweglosigkeit, Depression und ähnlichen Dingen. Aber dann muss das am Ende doch umgekippt werden und muss zu einer Form kommen, wo diese Bilder dann eine Schönheit besitzen. Und in diesem Fall ist es keine heitere Schönheit, sondern eine ernste.

Interview mit Christiane Vielhaber 1986, 1986 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die Farbe für die Grauen Bilder wurde vorher angemischt und dann mit verschiedenen Werkzeugen aufgetragen – manchmal mit dem Pinsel. Aber nach dem Malen hatte ich bisweilen das Gefühl, dass das Grau nicht zufriedenstellend und noch eine weitere Farbschicht notwendig war.

Kommentare zu einigen Bildern 1991, 1991 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Sie haben mehrfach in den verschiedenen Jahrzehnten graue Bilder gemalt. Können Sie dazu etwas sagen?
Kompliziertes Thema. Sicher kommt das Grau auch von den Fotobildern und es hat natürlich auch damit zu zun, dass ich das Grau für eine wichtige Farbe halte, die ideale Farbe für Meinungslosigkeit, Aussageverweigerung, Schweigen, Hoffnungslosigkeit. Also für Zustände und Aussichten, die einen betreffen und für die man ein Bild finden möchte.

Interview mit Jan Thorn-Prikker 2004, 2004 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wählen Sie die Fotos für die Landschaftsbilder nach dem Zufallsprinzip aus, oder sind das Aufnahmen von bestimmten Orten?
Das sind bestimmte Orte, die ich hier und da entdecke, wenn ich unterwegs bin, um Fotos zu machen. Ich gehe ausdrücklich hinaus, um Fotos zu machen.

Interview mit Dorothea Dietrich 1985, 1985 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Meine Landschaften sind ja nicht nur schön oder nostalgisch, romantisch oder klassisch anmutend wie verlorene Paradiese, sondern vor allem ,verlogen‘ (wenn ich auch nicht immer die Mittel fand, gerade das zu zeigen), und mit ,verlogen‘ meine ich die Verklärung, mit der wir die Natur ansehen, die Natur, die in all ihren Formen stets gegen uns ist, weil sie nicht Sinn, noch Gnade, noch Mitgefühl kennt, weil sie nichts kennt, absolut geistlos, das totale Gegenteil von uns ist, absolut unmenschlich ist.

Notizen 1986, 1986 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Und die Alpenbilder, die Städtebilder?
Die entstanden, als ich keine Lust mehr hatte, diese figurativen Fotobilder weiter zu machen und etwas anderes wollte, nicht mehr diese eindeutige Aussage, diese ablesbare und begrenzte Erzählung. Also reizten mich diese toten Städte und Alpen, beidesmal Geröllhalden, nichtssagendes Zeug. Es war der Versuch, eine allgemeinere Inhaltlichkeit zu vermitteln.

Interview mit Benjamin H. D. Buchloh 1986, 1986 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wenn ich mir heute die Stadtbilder ansehe, kommen sie mir wie manche Aufnahmen vom kriegszerstörten Dresden vor.

Kommentare zu einigen Bildern 1991, 1991 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Fast alle Seestücke (von denen viele in den Atlas kamen) sind Motivcollagen. Meer und Wolken stammen aus verschiedenen Vorlagen und sind zu einem einzelnen Bild zusammengeklebt. Der Erfolg hing davon ab, dass man genau die richtigen Stimmungskombinationen fand. Es gab zum Beispiel auch Bilder, wo ich für beide Hälften dieselbe Aufnahme vom Meer verwendete [WVZ: 244, WVZ: 245]. Ich hatte ein schlechtes Gewissen deswegen, aber dann kam George Maciunas vorbei und fand sie einfach großartig, und deshalb habe ich sie gelassen, auch wenn sie für meinen Geschmack zu dekorativ waren.

Kommentare zu einigen Bildern 1991, 1992 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die Epoche der Romantik finde ich unglaublich interessant. Meine Landschaftsbilder weisen einige Verbindungen zur Romantik auf: Manchmal spüre ich einen echten Wunsch, eine Anziehungskraft zu dieser Epoche, einige von meinen Bildern sind eine Hommage an Caspar David Friedrich.

Gespräch mit Paolo Vagheggi 1999, 1999 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Anfang der 60er Jahre, von der DDR kommend, weigerte ich mich natürlicherweise, Verständnis für die Ziele und Methoden der RAF aufzubringen. Ich war zwar von der Energie, von dem kompromisslosen Willen und dem absoluten Mut der Terroristen beeindruckt, aber ich konnte dem Staat seine Härte nicht verdenken; Staaten sind so, und ich hatte andere, erbarmungslosere erlebt. Der Tod der Terroristen und alle damit in Zusammenhang stehenden Geschehnisse davor und danach bezeichnen eine Ungeheuerlichkeit, die mich betraf und mich, auch wenn ich sie verdrängte, seitdem beschäftigte, wie etwas, was ich nicht erledigt hatte.

Notizen November 1988 (für die Pressekonferenz Februar 1989 – Museum Haus Esters, Krefeld), 1989 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Diese Bilder lassen möglicherweise Fragen nach der politischen Aussage oder nach der geschichtlichen Wahrheit aufkommen. Beides interessiert mich hier nicht. Und obwohl wahrscheinlich nicht einmal meine Motivation für die Bilder von Belang ist, versuche ich, sie hier zu benennen, als eine quasi parallel zu den Bildern laufende verbale Artikulierung meiner Betroffenheit und Meinung.

Notizen November 1988 (für die Pressekonferenz Februar 1989 – Museum Haus Esters, Krefeld), 1989 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die politische Aktualität meiner Oktober-Bilder interessiert mich so gut wir gar nicht; sie ist in vielen Besprechungen das erste oder das einzige, was bewegt, und je nach den akuten politischen Verhältnissen werden die Bilder so oder so rezipiert, das empfinde ich eher als störend.

Notizen 1989, 1989 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ich wollte was anderes sagen: Die Bilder sind auch ein Abschied und dies in vielerlei Richtungen. Der Sache nach: diese bestimmten Personen sind tot; dann ganz allgemein: Tod ist Abschied schlechthin. Dann im ideologischen Sinn: Abschied von einer bestimmten Heilslehre und darüber hinaus Abschied von der Illusion, unakzeptable Lebensumstände in dieser konventionell kämpferischen Form ändern zu können (diese Art revolutionären Denkens und Handelns ist vergeblich, passé).

Notizen 1989, 1989 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Und dann hat die Arbeit natürlich auch für mich selbst einen einschneidenden Abschiedscharakter; sie beendet meine in den 60er Jahren begonnene Arbeit (Bilder nach Schwarz-weiß-Fotos) in der Form einer komprimierten Zusammenfassung, die kein Weitergehen mehr zulässt. Und damit ist das ein Abschied von meinem Denken und Fühlen in sehr grundsätzlicher Form. Dabei handelt es sich natürlich nicht um einen bewussten Akt, sondern um das quasi automatisch ablaufende Geschehen von Zusammenbruch und Umbildung, das ich stets nur nachträglich wahrnehmen kann.

Notizen 1989, 1989 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Warum haben Sie sich entschlossen, die Baader-Meinhof-Gruppe zu malen?
Es gab kein spezielles Ereignis, das zu dieser Entscheidung geführt hätte. Ich hatte ein paar Fotos gesammelt, und die Idee hatte ich schon lange im Kopf. Sie nahm in meinen Gedanken mehr und mehr Raum ein, bis der Punkt kam, an dem ich sagte: „Ich muss das malen.‟ Ich komme aus Ostdeutschland und bin kein Marxist, und da hatte ich natürlich damals keinerlei Sympathie für ihre Überzeugungen, die Ideologie, für die diese Leute standen. Ich verstand sie nicht, aber trotzdem war ich beeindruckt. Wie alle war ich ergriffen. Es war ein wichtiger Augenblick für Deutschland.

Interview mit Gregorio Magnani 1989, 1989 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Aus ihren Bildern spricht Mitleid für die Baader-Meinhof-Leute.
Es ist Trauer, aber ich hoffe, man sieht, dass es Trauer um Menschen ist, die so jung gestorben sind, für nichts. Ich respektiere sie, auch ihre Wünsche und die Kraft ihrer Wünsche. Weil sie versucht haben, etwas gegen die Dummheit der Welt zu tun.

Interview mit Gregorio Magnani 1989, 1989 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Eigentlich habe ich gerade die nicht-malbaren Bilder gemalt. Die Toten. Ich wollte ja anfangs mehr das ganze Problem, diese Wirklichkeit von damals, das Lebendige malen – also ich hatte eher an etwas Großes, Umfassendes bei dem Thema gedacht. Dann hat sich das aber ganz anders entwickelt, eben zum Tod hin. Und das ist eigentlich gar nicht so unmalbar, im Gegenteil, Tod und Leid waren ja immer ein Thema der Kunst. Es ist ja sowieso das Thema, das haben wir uns erst heute abgewöhnt, mit unserer netten Lebensweise.

Gespräch mit Jan Thorn-Prikker über den Zyklus 18. Oktober 1977 1989, 1989 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Dann wären die RAF-Toten für Sie Opfer ihrer Ideologie?
Ja sicher. Aber eben nicht Opfer einer ganz bestimmten Ideologie von links oder rechts, sondern von ideologischem Verhalten allgemein. Das hat eher zu tun mit dem immerwährenden menschlichen Dilemma, ganz allgemein: revolutionieren und scheitern

Gespräch mit Jan Thorn-Prikker über den Zyklus 18. Oktober 1977 1989, 1989 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Das waren Pressefotos.
Ja, die waren aus dem Stern, Spiegel und aus Büchern. Wissen Sie, ich hatte eigentlich vor, es viel breiter zu machen, und wunderte mich dann selbst, dass ich es reduziert habe auf die Toten, auf den letzten Moment. Ich wollte das Thema eigentlich viel breiter anlegen. Mehr aus dem Leben, aus der aktiven Zeit dieser Leute malen, aber das hat gar nicht geklappt, und das versuchte ich dann gar nicht zu malen.

Interview mit Stefan Weirich über den Zyklus 18. Oktober 1977, 1993, 1993 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wie schätzen Sie das spezielle Interesse der Amerikaner an der deutschen RAF-Thematik ein und generell die Wirksamkeit politischer Kunst im konservativen Amerika?
Vielleicht sehen die Amerikaner auf Grund ihrer Distanz zur RAF eher das Allgemeine des Themas, das fast jedes moderne oder auch unmoderne Land betrifft: die generelle Gefahr von Ideologiegläubigkeit, von Fanatismus und Wahnsinn. Das ist doch für jedes Land aktuell, also auch für die USA, die Sie hier so leichthin als konservativ bezeichnen. – Ich kann aber auch noch einen direkten Bezug sehen zwischen Amerika und RAF, und zwar nicht nur den Vietnamkrieg, gegen den 1968 Baader und Ensslin protestieren, indem sie mehrere Brandsätze in zwei Frankfurter Kaufhäuser legten; einen Bezug sehe ich auch in der amerikanischen Prägung der Haltung und des Lebensgefühls der sogenannten 68er. Selbst deren Antiamerikanismus war ja nicht nur Reaktion auf den amerikanischen Einfluss, sondern war zum Großteil Import aus Amerika.

Interview mit Hubertus Butin 1995, 1995 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ich werde die Bilder nicht nach New York geben, weil ich über mangelndes deutsches Interesse enttäuscht bin, sondern weil mich das MoMA gefragt hat und weil ich es für das beste Museum der Welt halte.

Interview mit Hubertus Butin 1995, 1995 QUELLE
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Kontakt mit gleichdenkenden Malern – eine Gruppe ist für mich sehr wichtig; es kommt nichts von alleine. Wir haben zum Teil unsere Ideen im Gespräch entwickelt. Eine Isolation auf dem Dorf wäre z. B. nichts für mich. Man ist von seiner Umwelt abhängig. In diesem Sinn ist der Austausch mit anderen Künstlern, speziell die Zusammenarbeit mit Lueg und Polke, für mich wichtig und Teil der Information, die ich brauche.

Notizen 1964 (–1967), 1964 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die Bilder sind zwar veranschaulichte Idee oder bildgewordene, und die Idee soll auch ablesbar sein, sowohl im Einzelbild wie im Zusammenhang, was natürlich voraussetzt, dass über Idee und Kontext sprachlich informiert wird. Das heißt aber nicht, dass sie als Illustration einer Idee fungieren, sondern die Bilder sind letztlich die Idee selbst; die sprachliche Formulierung der Idee ist auch keine Übersetzung vom Bildnerischen, sondern hat lediglich eine gewisse Ähnlichkeit mit der Meinung der Idee, ist Interpretation, wörtlich genommen Nachdenken.

Brief an Jean-Christophe Ammann Februar 1973, 1973 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ich habe zwar die ständige Verzweiflung über mein Unvermögen, die Unmöglichkeit, etwas vollbringen zu können, ein gültiges, richtiges Bild zu malen, vor allem zu wissen, wie so ein Bild auszusehen hätte; aber ich habe gleichzeitig immer die Hoffnung, dass genau das gelingen könnte, dass sich das aus diesem Weitermachen einmal ergibt, und diese Hoffnung wird ja auch oft genährt, indem stellenweise, ansatzweise, tatsächlich etwas entsteht, was an das Ersehnte erinnert oder es erahnen lässt, wenngleich ich ja oft genug nur genarrt wurde, also dass das, was ich momentan darin sah, verschwand und nichts übrigließ als das Übliche.

Notizen 1985, 1985 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ich habe kein Motiv, nur Motivation. Ich glaube, dass die Motivation das Eigentliche, Naturgemäße ist, dass das Motiv altmodisch, ja reaktionär ist (dumm wie die Frage nach dem Sinn des Lebens).

Notizen 1985, 1985 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Welche Rolle spielt der Zufall in Deiner Malerei?
Eine ganz wesentliche, und das eigentlich schon immer. Manchmal beunruhigte mich das sehr, und ich sah es als persönliches Manko, dass ich so auf den Zufall angewiesen bin.

Ist das ein anderer Zufall als bei Pollock? Ein anderer als beim surrealistischen Automatismus?
Sicherlich ein anderer, vor allem nie ein blinder, immer ein geplanter, aber immer ein überraschender. Und ich brauche ihn, um weiterzugehen, um meine Fehler auszumerzen, das, was ich falsch gedacht habe, zu zerstören, um etwas Anderes und Störendes einzubringen. Und oft bin ich verblüfft, wieviel besser der Zufall ist als ich.

Interview mit Benjamin H. D. Buchloh 1986, 1986 QUELLE
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Sagen Sie einmal ein Beispiel für Ihren Begriff der „Schönheit‟?
Das kann ein Bild von Mondrian sein, ein Musikstück von Schönberg oder Mozart, ein Bild von Leonardo, Barnett Newman oder auch Jackson Pollock. Das ist für mich schön. Aber ebenso die Natur. Ein Mensch kann auch schön sein. Schönheit heißt auch Unversehrtheit. Das ist ja auch ein Ideal, dass wir Menschen unversehrt sind und eben deswegen schön.

Interview mit Christiane Vielhaber 1986, 1986 QUELLE
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Was ist für Sie die Wirklichkeit und die Wahrheit auf Ihren Bildern?
Die Wahrheit… Wenn Sie eine ähnliche Struktur haben und ähnlich wahr organisiert sind wie die Natur. Wenn ich aus dem Fenster gucke, dann ist das für mich wahr, so wie es sich draußen zeigt in den verschiedenen Tönen, Farben und Proportionen. Das ist eine Wahrheit und hat eine Richtigkeit. Dieser Ausschnitt und überhaupt jeder beliebige Ausschnitt aus der Natur ist für mich ein ständiger Anspruch, und er ist ein Vorbild für meine Bilder.

Interview mit Christiane Vielhaber 1986, 1986 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Natur/Struktur. Mehr ist nicht zu sagen, darauf reduzieren ich in den Bildern, wobei ,Reduzieren‘ das falsche Wort ist, denn es handelt sich nicht um Vereinfachungen. Ich kann es nicht verbalisieren, woran ich da arbeite, was ich als grundsätzlich vielschichtig ansehe, als das Wichtigere, Wahrere.

Notizen 1989, 1989 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Illusion – besser Anschein, Schein ist mein Lebensthema (könnte Thema für Anfängerbegrüßungsrede an der Akademie sein). Alles, was ist, scheint und ist für uns sichtbar, weil wir den Schein, den es reflektiert, wahrnehmen, nichts anderes ist sichtbar.

Notizen 1989, 1989 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wie gelingt es Ihnen, den Zufall so zu lenken, dass ein ganz bestimmtes Bild mit einer ganz bestimmten Aussage entsteht, denn das ist doch Ihr erklärtes Anliegen?
Ich habe eben nicht ein ganz bestimmtes Bild vor Augen, sondern möchte am Ende ein Bild erhalten, das ich gar nicht geplant hatte. Also, diese Arbeitsmethode mit Willkür, Zufall, Einfall und Zerstörung lässt zwar einen bestimmten Bildtypus entstehen, aber nie ein vorherbestimmtes Bild. Das jeweilige Bild soll sich aus einer malerischen oder visuellen Logik entwickeln, sich wie zwangsläufig ergeben. Und indem ich dieses Bildergebnis nicht plane, hoffe ich, eher eine Stimmigkeit und Objektivität verwirklichen zu können, die eben ein beliebiges Stück Natur (oder ein Readymade) immer hat. Sicherlich ist das auch eine Methode, um die unbewussten Leistungen einzusetzen, soweit wie möglich. – Ich möchte ja gern etwas Interessanteres erhalten als das, was ich mir ausdenken kann.

Interview mit 1990, 1990 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Du hast gesagt, dass Du in den sechziger Jahren sehr beeindruckt warst von Cages Lecture on Nothing, in der er an einer Stelle erklärt: „Ich habe nichts zu sagen, und das sage ich.‟ Wie hast Du dieses Paradox damals verstanden, und welchen Zusammenhang hast Du zwischen diesem Paradox und Deinem eigenen Bedürfnis gesehen, in Deinen Arbeiten keine großen, deklarativen Aussagen zu machen?
Ich dachte, dass da dasselbe Motiv dahinter stand, aus dem heraus er mit der Idee des Zufalls arbeitete, nämlich dass wir gar nicht viel sagen können und gar nicht viel wissen können, in einem klassischen, philosophischen Sinne: Ich weiß, dass ich nichts weiß.

MoMA-Interview mit Robert Storr 2002, 2002 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Als Du damals über Deine Verwendung von Fotos als Quelle für Gemälde gesprochen hast, über die Auswahl, die Du dadurch hattest, und die Verschiedenheit der gewählten Bilder, hattest Du da die scheinbare Zufälligkeit von Cages Vorgehensweise als Modell vor Augen?
Cage hatte größere Disziplin. Er hat den Zufall zur Methode gemacht und richtig konstruktiv angewendet, das habe ich nie gemacht. Hier ist alles etwas chaotischer.

Chaotischer im Sinne von zufälliger oder im Sinne von intuitiver?
Vielleicht intuitiver. Ich glaube, er wusste mehr, was er tat. Vielleicht liege ich damit völlig falsch, aber das war mein Eindruck.

MoMA-Interview mit Robert Storr 2002, 2002 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Was verstehen Sie unter Tradition im Sinne von Tradition kennen, um sie brechen zu können? Und wenn dem so ist, was wird gebrochen in der Tradition?
Der Wunsch mit einer Tradition zu brechen, ist ja nur angebracht, wenn es sich um überholte, also störende Traditionen handelt, an diese Seite habe ich gar nicht gedacht, weil ich ganz altmodisch Tradition mit Wert gleichsetze (das mag ein Fehler sein). Egal wie, aber auch bei dieser positiven Tradition gibt es Anlass, gegen sie zu sein, ganz einfach, wenn sie zu mächtig, zu fordernd, zu anspruchsvoll ist. Das wäre dann prinzipiell die menschliche Seite des Aufbegehrens.

Interview mit Jeanne Anne Nugent 2006, 2006 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wann hast Du das erste Mal Spiegel verwendet?
Ich denke 1981 für die Kunsthalle Düsseldorf. Vorher hatte ich für Kasper Königs Westkunst einen Spiegelraum konzipiert, der nicht ausgeführt wurde. Da gibt es noch die Entwürfe, vier Spiegel für einen Raum.

Interview mit Hans Ulrich Obrist 1993, 1993 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Was mich an meinen Spiegeln reizte, war, dass sie nichts Manipuliertes haben sollten. Ein Stück gekaufter Spiegel. Einfach hingehängt, ohne Zutat, damit sie unmittelbar und direkt wirken. Auch mit dem Risiko, dass es langweilig ist, bloße Demonstration. Die Spiegel und noch mehr die Gläser waren sicher auch gegen Duchamp, gegen sein großes Glas gerichtet.

Interview mit Hans Ulrich Obrist 1993, 1993 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Glas ist im Laufe der Zeit bei Ihnen immer wichtiger geworden. 1967 entstand Ihr erstes Glasobjekt, die 4 Scheiben [WVZ: 160]. Worum geht es in Ihrer Auseinandersetzung mit Glas? Auf einer Skizze dafür notierten Sie: „Glas – Symbol (alles sehen, nichts begreifen)'. Dem Readymade am ähnlichsten kommen eigentlich Ihre Spiegel. […]. Was sehen sie im Spiegel?
Mich. – Aber danach gleich das, dass er wie ein Bild funktioniert. Nur perfekter. Und genau wie ein Bild zeigt er etwas, was gar nicht da ist, wenigstens nicht da, wo wir es sehen.

Dann wäre der Spiegel ja der perfekte Künstler.
So sieht es aus.

Interview mit Jan Thorn-Prikker 2004, 2004 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Mir ist aufgefallen, dass Du in allen existierenden Interviews bisher sehr wenig zur Architektur befragt wurdest. Es gab Dialoge mit Architekten und auch den Moment, als Du das Haus gebaut hast. Wie hat das begonnen?
Das war oder ist eine Art Liebhaberei, eine Neigung zum Basteln und Bauen. Regale und Schränke oder Werkzeuge bauen oder Häuser entwerfen, das hat immer auch eine funktionale oder soziale Motivation. Wenn soziale Änderungen anstehen, erfasst mich sofort eine Baulust, und ich denke, dass ich damit ja auch die Lebensänderung beschleunige oder vorwegnehme, zumindest als Entwurf. Bei meinem Wohnhaus war es schon eine Vorwegnahme, also erst bauen und danach das Leben ändern.

Interview mit Hans Ulrich Obrist November 2006, 2006 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die Türen, Vorhänge, Oberflächenbilder, Scheiben usw. sind vielleicht Gleichnisse einer Verzweiflung über das Dilemma, dass zwar unser Sehen uns die Dinge erkennen lässt, dass es aber gleichzeitig die Erkenntnis der Wirklichkeit begrenzt und partiell unmöglich macht.

Notiz 1971, 1971 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Was hat Dich veranlasst, Dir ein Bild aus dem 15. Jahrhundert zur Vorlage zu nehmen und eine Sequenz nach Tizians Verkündigung [WVZ: 343/1-2, 344/1-3]zu malen?
Weil mich bei diesen wie bei allen Bildern ein bestimmter Aspekt reizt, nämlich dass sie „gut‟ sind (wenn sie gut sind) und zwar unabhängig von ihrer damaligen aktuellen Wirkung, von ihrem Anlass und von ihrer Story. Ihre Motivation kenne ich ja meist gar nicht, sie haben also eine Qualität an sich; Goethe nannte das, glaube ich, die „wesende Proportion‟, die Kunstwerke zu Kunstwerken macht.

Interview mit Gislind Nabakowski 1974, 1974 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wenn die ,Abstrakten Bilder‘ meine Realität zeigen, dann zeigen die Landschaften oder Stilleben meine Sehnsucht.

Notizen 1981, 1981 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Natürlich haben auch gegenständliche Bilder diese transzendentale Seite; weil jeder Gegenstand als Teil einer im Letzten, Ersten, Grundsätzlichen unverständlichen Welt diese auch verkörpert, zeigt er im Bilde dargestellt um so eindringlicher alle Rätselhaftigkeit, je weniger ,Funktion‘ die Darstellung hat. Daher kommt die immer stärker werdende Faszination z. B. so vieler alter schöner Bildnisse.

Text für Katalog documenta 7 1982, 1982 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Meine Bilder sind gegenstandslos; wie Gegenstände sind sie selbst Gegenstände. Somit sind sie inhaltslos, bedeutungs- und sinnlos wie Gegenstände oder Bäume, Tiere, Menschen oder Tage, die da sind ohne Grund und Zweck und Ziel. Um diese Qualität geht es. (Trotzdem gibt es gute und schlechte Bilder.)

Notizen 1984, 1984 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

… Landschaften oder Stillleben male ich zwischen den abstrakten Arbeiten. Sie machen etwa ein Zehntel meiner Produktion aus. Einerseits sind sie nützlich, weil ich gern nach der Natur arbeite – obwohl ich natürlich ein Foto benutze –, weil ich glaube, dass jedes Detail aus der Natur eine Logik hat, die ich auch in der Abstraktion sehen möchte. Andererseits ist das Malen nach der Natur oder Stilllebenmalen eine Ablenkung und schafft einen Ausgleich. Ich könnte auch sagen, die Landschaften sind eine Art Sehnsucht, Sehnsucht nach einem unbeschädigten, schlichten Leben. Ein bisschen nostalgisch. Die abstrakten Arbeiten sind meine Gegenwart, meine Wirklichkeit, meine Probleme, meine Schwierigkeiten und Widersprüche. Sie sind für mich sehr aktuell.

Interview mit Dorothea Dietrich 1985, 1985 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

In den Bomberbildern sehe ich eine kritische Stellungnahme zum Thema Krieg…
… ist es aber sicher nicht. Solche Bilder können gar nichts gegen Krieg ausrichten. Sie zeigen ja auch nur einen sehr kleinen Aspekt vom Thema Krieg – vielleicht nur meine kindlichen Gefühle von Angst und Faszination durch Krieg und solche Waffen.

Interview mit Sabine Schütz 1990, 1990 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Waren Sie von Duchamp beeinflusst, als Sie die Gemälde Frau, eine Treppe herabsteigend (1965) [WVZ: 92] und Ema (1966) [WVZ: 134] malten und als Sie Vier Glasscheiben (1967) [WVZ: 160] geschaffen haben?
Ich kannte Duchamp, und es gab sicherlich eine Beeinflussung. Es war vielleicht auch eine unbewusste Antihaltung. Denn sein Bild Akt, eine Treppe herabsteigend hat mich eher ein bisschen geärgert. Ich schätzte es sehr, aber ich konnte nicht akzeptieren, dass damit eine bestimmte Art zu malen erledigt war. Also habe ich das Gegenteil gemacht und einen ,konventionellen Akt‘ gemalt. Das lief aber, wie gesagt, sehr unbewusst, nicht strategisch. Und so war es mit den Vier Glasscheiben auch. Ich denke, irgend etwas hat mir bei Duchamp nicht gepasst, diese Geheimnistuerei, und deswegen habe ich diese einfachen Gläser gemalt und so ein Problem von Glasscheiben ganz anders gezeigt.

Interview mit Jonas Storsve 1991, 1991 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wie kam es zu dem Wechsel zwischen figurativer und abstrakter Malerei?
Dafür gab es keinen speziellen Auslöser. Ich habe zuerst „Figuren‟ gemalt, bis ich eines Tages plötzlich angefangen habe, abstrakt zu malen. Dann habe ich beides gemacht. Es geschah aber nicht mit Vorsatz, sondern einfach nur aus Lust. Am liebsten würde ich noch mehr figurativ malen, aber gegenständliche Bilder sind schwieriger. Um diese Schwierigkeit zu überwinden, mache ich also eine Pause und male abstrakt. Das gefällt mir übrigens sehr, denn so gelingen mir schöne Bilder.

Gespräch mit Henri-François Debailleux 1993, 1993 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Worin liegt Ihres Erachtens nach die Schwierigkeit der figurativen Malerei?
Wenn ich abstrakt male, dann gelingt mir das mit einer quasi professionellen Geste. Bei den figurativen Bildern ist das unmöglich. Der Zufall wird hier nicht zugelassen. Es bedarf zudem bestimmter Bedingungen und eines bestimmten Blickwinkels, die man erst einmal finden muss, weil die Fotografie beide immer schon negiert hat. Außerdem versuche ich, wenn ich figurativ male, das Motiv so gut wie möglich auf die Leinwand zu übertragen. Das ist nicht einfach, aber notwendig, weil die Dinge, die uns umgeben, meist wahr, richtig oder sogar schön sind. Gemalt verlieren diese Dinge jedoch ihre Wahrheit. Deshalb muss man sie soweit schön „treiben‟, bis sie ansehnlich werden und man die Lust verspürt, sie zu betrachten. Dafür müssen sie so richtig sein wie ein Gesang.

Gespräch mit Henri-François Debailleux 1993, 1993 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Sie haben sich mit allen möglichen Sujets auseinandergesetzt: Stillleben, Landschaften, Portraits usw. Warum?
Weil sie uns umgeben. Wir brauchen sie alle. Meine Arbeit hat mit dem Versuch zu tun, etwas zu machen, was heutzutage verstanden werden kann oder zumindest zum Verständnis verhelfen kann, mit anderen Worten, das zu machen, was ich verstehe und was alle verstehen. Es ist eigentlich nichts anderes als das natürliche Bedürfnis nach Kommunikation, vergleichbar etwa mit anderen Tätigkeiten wie Lesen, Schreiben usw. Außerdem hasse ich es, mich zu wiederholen. Es macht mir keinen Spaß. Wenn ich etwas einmal verstanden habe, muss ich mich mit etwas Neuem beschäftigen.

Gespräch mit Henri-François Debailleux 1993, 1993 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Über Malerei reden, das hat keinen Sinn. Indem man mit der Sprache etwas vermittelt, verändert man es. Man konstruiert solche Eigenschaften, die gesprochen werden können, und unterschlägt die, die nicht ausgesprochen werden können, die aber immer die wichtigsten sind.

Notizen 1964–1965, 1964-65 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wie kamen Sie zur gegenständlichen Malweise?
Ich glaube, jeder fängt so an, sieht irgendwann Kunstwerke und möchte ähnliches machen. Man möchte das, was man sieht, was überhaupt da ist, begreifen und versucht, es abzubilden. Später merkt man dann, dass man die Wirklichkeit gar nicht darstellen kann, dass das was man macht, immer nur sich selbst darstellt, also selbst Wirklichkeit ist.

Interview mit Rolf Schön 1972, 1972 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Man muss daran glauben, was man macht, man muss sich innerlich engagieren, um Malerei zu machen. Einmal davon besessen, treibt man es schließlich so weit, zu glauben, dass man die Menschheit durch die Malerei verändern könnte. Wenn man aber von dieser Leidenschaft frei ist, so gibt es nichts mehr zu tun. Dann ist es empfehlenswert, die Finger davon zu lassen. Denn im Grunde genommen ist das Malen eine komplette Idiotie.

Notizen 1973, 1973 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Halten Sie es für überflüssig, sich über die Beziehung der Malerei zur Realität zu unterhalten?
Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass es keinerlei Unterschied zwischen einem sogenannten realistischen Bild, wie einer Landschaft, und einem abstrakten Gemälde gibt: beide üben eine ähnliche Wirkung auf den Betrachter aus.

Interview mit Irmeline Lebeer 1973, 1973 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ich glaube nicht an die Realität der Malerei, deshalb nehme ich Stile wie Kleider – ich verkleide mich damit.

Interview mit Bruce Ferguson und Jeffrey Spalding 1978, 1978 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Malerei ist die Schaffung einer Analogie zum Unanschaulichen und Unverständlichen, das auf diese Weise Gestalt annehmen und verfügbar werden soll. Deshalb sind gute Bilder auch unverständlich. Unverständlichkeit zu schaffen schließt gänzlich aus, irgendeinen Quatsch zu machen, denn irgendein Quatsch ist immer verständlich.

Notizen 1981, 1981 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die Malerei beschäftigt sich wie keine andere Kunstart ausschließlich mit dem Schein (die Fotografie rechne ich selbstverständlich dazu).
Der Maler sieht den Schein der Dinge und wiederholt ihn, das heißt, ohne die Dinge selbst herzustellen, stellt er nur ihren Schein her, und wenn das an keinen Gegenstand mehr erinnert, funktioniert dieser künstlich hergestellte Schein nur, weil er nach Ähnlichkeiten mit einem vertrauten, das heißt gegenstandsbezogenen Schein abgesucht wird.

Notizen 1989, 1989 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die Malerei ist für mich Tradition, aber sie war für mich keine Akademie. Ich spürte das Bedürfnis zu malen, das Malen gefiel mir ungeheuerlich. Es war für mich etwas ganz Gewöhnliches, wie es für einige Leute normal ist, ein Instrument zu spielen oder Musik zu hören. Deswegen suchte ich nach einem modernen Sujet, aus meiner Epoche und aus meiner Generation. Das war eben die Fotografie, deswegen habe ich sie als Medium für die Malerei gewählt.

Gespräch mit Paolo Vagheggi 1999, 1999 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Das Problem ist, mit dem Begriff „Licht‟ habe ich noch nie etwas anfangen können. Ich weiß, dass manchmal erwähnt wurde – „der Richter hat es mit Licht‟ und „die Bilder haben ein spezielles Licht‟ –, und ich wusste nicht, wovon die Rede ist. Licht hat mich noch nie interessiert. Es ist da, und man schaltet es ein oder aus, je nachdem ob die Sonne scheint oder nicht. Mehr fällt mir dazu nicht ein.

MoMA-Interview mit Robert Storr 2002, 2002 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wenn ich zeichne – einen Menschen, ein Objekt –, muss ich mir über Proportion, Genauigkeit, Abstraktion oder Entstellung und so weiter bewusst werden. Wenn ich ein Foto abmale, ist das bewusste Denken ausgeschaltet. Ich weiß nicht, was ich tue. Meine Arbeit liegt viel näher beim Informellen als bei irgendeiner Art von ,Realismus'. Das Foto hat eine eigene Art von Abstraktion, die gar nicht so leicht zu durchschauen ist.

Notizen 1964–1965, 1964-65 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Von der Oberfläche her, Ölfarbe auf Leinwand, konventionell aufgetragen, haben meine Bilder wenig mit dem Foto zu tun, sondern sind ganz Malerei (was man auch immer darunter verstehen will). Andererseits sind sie dem Foto derart gleich, dass das, was das Foto von allen anderen Bildern unterscheidet, ganz erhalten bleibt.

Notizen 1964–1965, 1964-65 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Sie arbeiten nach Fotovorlagen. Unter welchen Gesichtspunkten finden Sie Ihre Sujets?
Es ist vielleicht eine negative Auswahl insofern, als ich alles zu vermeiden suchte, was bekannte Probleme oder überhaupt Probleme, malerische, soziale, ästhetische, berührte. Ich versuchte, nichts Greifbares zu finden, deshalb gab es so viele banale Sujets, wobei ich mich wiederum bemühte zu vermeiden, dass das Banale mein Problem und mein Zeichen wurde. Es ist also eine Art Flucht.

Interview mit Rolf-Gunter Dienst 1970, 1970 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Warum sehen die meisten Ihrer Gemälde wie unscharfe Fotos aus?
Ich habe in einem unscharfen Bild noch nie etwas vermisst. Im Gegenteil, man sieht viel mehr darin als in einem scharfen Bild. Eine mit Genauigkeit gemalte Landschaft zwingt uns, eine bestimmte Anzahl deutlich unterscheidbarer Bäume zu sehen, während man in einer unscharfen Landschaft eine beliebige Anzahl von Bäumen erkennen kann. Das Bild ist offener.

Interview mit Irmeline Lebeer 1973, 1973 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Hatten die frühen Schwarzweiß-Bilder damals gegenüber den farbigen Bildern eine andere Qualität, eine andere Bedeutung für Dich? Konntest Du Dir z. B. durch Schwarzweiß eine größere Distanz schaffen, oder ging es Dir dabei um die Darstellbarkeit von Objektivität?
Im Grunde war es einfach ungewöhnlicher damals, Ölgemälde in schwarzweiß und dann lebensechter, weil alle Zeitungen, das alltägliche Bildmaterial, bis zum Fernsehen hin, schwarzweiß waren und auch die Fotoalben und das ganze Fotografieren, alles war schwarzweiß, das kann man sich heute kaum noch vorstellen. Das brachte damit eine Objektivität in die Bilder, die völlig neuartig war. Heute wird man das Fotoähnliche und Dokumentarische daran nicht mehr so sehen, da wirken die Bilder eher malerisch. Aber eine bestimmte besondere Qualität hat ein Schwarzweißfoto behalten, die FAZ hat sie ja immer noch, die Schwarzweißfotos, obwohl die Mehrheit es sicher bunt will.

Interview mit Babette Richter 2002, 2002 QUELLE
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Das Foto ist das perfekteste Bild; es ändert sich nicht, es ist absolut, also unabhängig, unbedingt, ohne Stil. Es ist mir deshalb in der Weise, wie es berichtet und was es berichtet, Vorbild.

Notizen 1964–1965, 1964-65 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Warum spielt gerade die Fotografie in Ihrem Werk eine so wichtige Rolle?
Weil ich überrascht war vom Foto, das wir alle täglich so massenhaft benutzen. Ich konnte es plötzlich anders sehen, als Bild, das ohne all die konventionellen Kriterien, die ich vordem mit Kunst verband, mir eine andere Sicht vermittelte. Es hatte keinen Stil, keine Komposition, kein Urteil, es befreite mich vom persönlichen Erleben, es hatte erstmal gar nichts, war reines Bild. Deshalb wollte ich es haben, zeigen – nicht als Mittel für eine Malerei benutzen, sondern die Malerei als Mittel für das Foto verwenden.

Interview mit Rolf Schön 1972, 1972 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Misstrauen Sie der Realität, weil Sie auf Ihren Bildern von Fotos ausgehen?
Ich misstraue nicht der Realität, von der ich ja so gut wie gar nichts weiß, sondern dem Bild von Realität, das uns unsere Sinne vermitteln und das unvollkommen ist, beschränkt.

Interview mit Rolf Schön 1972, 1972 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Sie haben einmal gesagt, Sie benutzen deswegen Fotos, weil die Kamera objektiver sieht als Ihr eigenes Auge. Sie kennen das Manipulationsregister der Fotografie – wollen Sie dennoch eine objektive Wirklichkeit zeigen?
Nein. Ein Kunstwerk ist ja erstmal selbst Objekt, und die Manipulation ist nicht vermeidbar, sie ist Voraussetzung. Aber ich brauchte das objektivere Foto, um meine Sehweise zu korrigieren: wenn ich z. B. einen Gegenstand nach der Natur zeichne, fange ich an zu stilisieren und ihn so zu verändern, wie es meiner Anschauung und meiner Vorbildung entspricht. Wenn ich aber ein Foto abmale, kann ich die ganzen Kriterien dieser Vorbilder vergessen und sozusagen gegen meinen Willen malen. Und das empfand ich als eine Bereicherung.

Interview mit Peter Sager 1972, 1972 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ich habe immer Fotos gemacht und einige auch in den sechziger Jahren als Vorlagen für Bilder genommen; in den späten Sechzigern kamen dann weit häufiger meine eigenen zum Einsatz. Meistens fotografierte ich Dinge, nur ganz selten Leute. Die Portraits, die ich damals gemalt habe, basierten auf Passfotos, die ich mir geben ließ und dann in Gemälde verwandelte. Das erste Bild, das ich von einer Person malte, war Ema (Akt auf einer Treppe) [WVZ: 134]. Die Bilder, mit denen ich arbeitete, kamen in der Regel aus Illustrierten, und das ist auch die einfache Erklärung dafür, warum die meisten Leinwände schwarzweiß waren.

Kommentare zu einigen Bildern 1991, 1991 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die Fotografie hat fast keine Realität, ist fast nur Bild. Und die Malerei hat immer Realität, die Farbe kann man anfassen, sie hat Präsenz; sie ergibt aber immer ein Bild – egal, wie gut oder schlecht. Theorie, die nichts bringt. Ich habe kleine Fotos gemacht, die ich mit Farbe beschmierte. Da ist etwas von dieser Problematik zusammengekommen, und das ist ganz gut, besser als das, was ich darüber sagen konnte.

Interview mit Jonas Storsve 1991, 1991 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Hat der Begriff des Portraits bei der Entstehung Ihrer Portraits eine bedeutende Rolle gespielt? Haben Sie sich dabei mit dem traditionellen Portraitbegriff auseinandergesetzt, oder sind derartige Überlegungen bei den Motiven zweitrangig?
Mit solchen Begriffen kenne ich mich leider nicht aus. Da dürfen Sie mich nicht fragen. Aber natürlich spielen Portraits eine große Rolle. Ich wünsche mir immer, gute Portraits zu malen, aber das geht heute nicht mehr. Es kommt mir vielmehr darauf an, schöne Bilder zu malen.

Interview mit Susanne Ehrenfried 1995, 1995 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Haben Sie jemals Auftragsportraits gemalt?
Ja, in den sechziger Jahren. Zum Beispiel die Portraits von Wachenfeld [WVZ: 104-3], Dwinger [WVZ: 103], Wasmuth [WVZ: 104-2], Schniewind [WVZ: 42, 42/1-2] und Schmela [WVZ: 37/1-3] sind als Auftragsarbeiten entstanden. Irgendwie war diese Form typisch für die Zeit der sechziger Jahre. Und das kam mir sehr gelegen, da ich dadurch meinen persönlichen Kunstgeschmack umgehen konnte und die Bilder eher durch Zufall entstanden sind. Allmählich habe ich dann allerdings die Lust daran verloren. Heute kommt keiner mehr mit einem solchen Wunsch auf mich zu, weil jeder weiß: Richter malt keine Auftragsportraits mehr.

Interview mit Susanne Ehrenfried 1995, 1995 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Aber man kann doch hier von einem Vaterproblem sprechen, die Bilder zeigen den Verlust einer Vaterfigur: das Foto des verlorenen, kleinen und strahlenden Onkels als Offizier [WVZ: 85], der seltsame Schnappschuss des Vaters, der fast clownesk wirkt [WVZ: 94], und die unnahbaren Lexikonportraits verschiedener Männerideale [WVZ: 324]. Sie beschreiben doch das Bild des abwesenden Vaters.
Ja, unbedingt, und das kann ich umso leichter sagen, weil es ja eine ganze Generation betrifft, die Nachkriegsgeneration oder gar zwei Generationen, die aus allen möglichen Gründen ihre Väter verloren hatten, – zum Teil tatsächlich, das sind die so genannten Gefallenen, die anderen, die Gebrochenen, Gedemütigten, die physisch und psychisch verletzt zurückkamen, und dann die Väter, die ins Verbrecherische verwickelt waren. Das sind drei Sorten von Vätern, die man nicht haben will. Jedes Kind wünscht sich einen Vater, auf den es stolz sein kann.

Interview mit Babette Richter 2002, 2002 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wie siehst Du Deine Frauenbilder, die Du gemalt hast?
Tja, das fällt mir jetzt wieder auf, in der New Yorker Ausstellung, als ich die ganzen Frauenbilder zusammen gesehen habe, und mich wunderte über so widersprüchliche Bilder. Da gibt es eine Erhöhung der Frau, das fängt an mit dem Ema-Akt [WVZ: 134], der ja da wirklich wie ein Engel die Treppe herunter kommt, vom Himmel herabsteigt. Dann das Bild der Tochter [WVZ: 663-5], das auch mit Erhöhung zu tun hat, denn es ist so getragen von der Sehnsucht nach der Kultur, der Schönheit der Malerei, die wir aber nicht mehr haben, deswegen die Abwendung. Dann die Lesende [WVZ: 804], wieder eine Überhöhung, weil sie so den Vermeer, den Malergott ehrt und so eine ähnliche Schönheit versucht. Das sind so idealisierte Wunschbilder, wer weiß. Und dann gibt es die andere Seite, das sind eher die Opfer. Die schwarzweiß gemalten Frauenbilder haben ja mehr mit den alltäglichen Schicksalen zu tun, die nur dann in die Zeitung kommen, wenn ihnen etwas zustößt, wenn sie Opfer sind, wie die acht Lernschwestern [WVZ: 130] und andere. Die Isa-Bilder [WVZ: 790-4, 790-5] sind nach eigenen Fotos gemalt. Und meine Mutter direkt habe ich nie gemalt, es gibt nur ein Familienbild [WVZ: 30], wo sie mit drauf ist.

Interview mit Babette Richter 2002, 2002 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Heute weiß man, dass es sich bei den Menschen auf Ihren Portraits oft um Familienmitglieder handelt und welche Geschichten sich da verbergen – das Bild Ihrer Tante Marianne etwa [WVZ: 87], die im Februar 1945 umkam, oder Ihr Onkel Rudi in Wehrmachtsuniform [WVZ: 85]. Warum sind autobiografische Bezüge in Ihrem Werk so lange ignoriert worden?
Ich hatte gar kein Interesse daran, dass darüber gesprochen wird. Ich wollte doch, dass man die Bilder sieht und nicht den Maler und seine Verwandten, da wäre ich doch irgendwie abgestempelt, vorschnell erklärt gewesen. Tatsächlich hat mich das Faktische – Namen oder Daten – auch gar nicht so interessiert. Das alles ist wie eine andere Sprache, die die Sprache des Bildes eher stört oder sogar verhindert. Man kann das mit den Träumen vergleichen: Sie haben eine ganz spezifische, eigenwillige Bildsprache, auf die man sich einlassen oder die man vorschnell und falsch übersetzen kann. Natürlich kann man Träume auch ignorieren, nur wäre das schade, sie sind ja nützlich.

SPIEGEL-Interview mit Susanne Beyer und Ulrike Knöfel 2005, 2005 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Es fällt auf, dass Sie immer wieder Familienmitglieder malten und malen. Dient das alles der Problembewältigung?
Vielleicht nur ein Prozent meiner Bilder zeigt Angehörige von mir, und ob dabei Probleme bewältigt werden? Wahrscheinlich können diese Probleme nur gezeigt werden. Aber es gibt immer wieder Fotos, private und andere, die mich so faszinieren, dass ich sie malen möchte. Und oft merkte ich erst später, welche Bedeutung diese Bilder für mich haben.

SPIEGEL-Interview mit Susanne Beyer und Ulrike Knöfel 2005, 2005 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die Frage der Komposition ist unwichtig, sie spielt bei der Auswahl der Fotos höchstens eine negative Rolle. Das heißt, die Faszination eines Fotos liegt nicht in einer ausgefallenen Komposition, sondern in dem, was es aussagt, in seiner Information. Andererseits hat Komposition immer auch eine zufällige Richtigkeit.

Notizen 1964 (–1967), 1964 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ich mag alles, was keinen Stil hat: Wörterbücher, Fotos, die Natur, mich und meine Bilder. (Denn Stil ist Gewalttat, und ich bin nicht gewalttätig).

Notizen 1964–1965, 1964-65 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ich mache keine Verwischungen. Dass ich verwische, ist nicht das Wichtigste und nicht Erkennungsmarke meiner Bilder.

Notizen 1964–1965, 1964-65 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ich verwische, um alles gleich zu machen, alles gleich wichtig und gleich unwichtig. Ich verwische, damit es nicht künstlerisch-handwerklich aussieht, sondern technisch, glatt und perfekt. Ich verwische, damit alle Teile etwas ineinanderrücken. Ich wische vielleicht auch das Zuviel an unwichtiger Informationen aus.

Notizen 1964–1965, 1964-65 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Was bedeutet die Unschärfe auf Ihren Bildern: Flüchtigkeit des Inhalts oder verstärkter Hinweis darauf? Oder ist das Verwackeln einfach typisch für dieses laienhaft gehandhabte Massenmedium?
Sicher hängt diese äußerliche Unschärfe mit dem erwähnten Unvermögen zusammen. Ich kann über Wirklichkeit nichts Deutliches sagen als mein Verhältnis zur Wirklichkeit, und das hat dann was zu tun mit Unschärfe, Unsicherheit, Flüchtigkeit, Teilweisigkeit oder was immer. Aber das erklärt nicht die Bilder, sondern bestenfalls den Anlass, sie zu malen.

Interview mit Rolf Schön 1972, 1972 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

In Ihren frühen Bildern und Zeichnungen haben Sie oft die Konturen verwischt. War das Ausdruck Ihrer Schwierigkeit, eine konkrete Aussage zu machen?
Ja, auch. Es war auch ein Versuch, den persönlichen Anstrich loszuwerden. Ich wollte es so anonym wie ein Foto machen. Aber es war vielleicht auch der Wunsch nach Perfektion, dem Unerreichbaren, was dann ja auch wieder einen Verlust an Unmittelbarkeit bedeutet. Doch irgendetwas fehlt. Deshalb habe ich diese Methode aufgegeben.

Interview mit Dorothea Dietrich 1985, 1985 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wie kamen Sie auf die Idee, solche verwackelten Fotos zu malen?
Ich war Student, und da lehnt man sich an die kunstgeschichtlichen Vorbilder an, und die waren unbefriedigend. Dann entdeckte ich, dass in den Fotos, was mir in den Bildern gefehlt hat, nämlich, dass sie sehr viele Aussagen haben, sehr viele Inhalte. Die hätte ich gerne in die Bilder transportiert und für sie verwendet.

Interview mit Christiane Vielhaber 1986, 1986 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Auf welcher Grundlage wählen Sie Ihr Format?
Ich entscheide mich, je nachdem wie ich mich fühle, also willkürlich. Wenn ich längere Zeit nichts gemacht habe, fange ich immer klein an, auf Papier.

Interview mit Anna Tilroe 1987, 1987 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Zufall als Thema und Methode
Methode, um etwas Objektives entstehen zu lassen, Thema, um ein Gleichnis (Bild) zu schaffen für unsere Überlebensstrategie:
1) Methode des Lebendigen, das die zugefallenen Bedingungen, Eigenschaften und Ereignisse nicht nur verarbeitet, sondern nur als ,Verarbeitung‘ existiert, unstatisch, nichts anderes und nur auf diese Weise.
2) Ideologisch: Verneinung des Plans, der Meinung, der Weltanschauung, die die gesellschaftlichen Entwürfe schafft, und in der Folge die ,großen Bilder‘. Also das, was ich oft als mein Manko ansah, dass ich nicht in der Lage war, ein ,Bild zu schaffen‘, ist nicht Unfähigkeit, sondern instinktives Bemühen um eine modernere Wahrheit, die wir bereits leben (Leben ist nicht das Gesagte, sondern das Sagen, nicht das Bild, sondern das Bilden).

Notizen 1989, 1989 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ihre Gemälde weisen immer eine perfekte Technik auf…
Im Gegensatz zu der Zeit, als man die Technik lernen und so früh wie möglich üben musste, beherrscht sie heute keiner mehr. Malen ist so einfach geworden – jeder kann es tun! –, dass es oft zu einem gewissen Unsinn führt. Vor einem solchen Hintergrund fällt es natürlich auf, wenn jemand die Technik beherrscht. Für mich war das immer selbstverständlich und nie ein Problem. Ich stehe ja noch ganz in der Tradition der Malerei. Viel wichtiger ist für mich der Versuch, ja der Wunsch, zu zeigen, was ich will und dies mit so viel Genauigkeit wie möglich. In diesem Sinne brauche ich die Technik. Für mich ist die Perfektion so wichtig wie das Bild selbst.

Gespräch mit Henri-François Debailleux 1993, 1993 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wenn ich beim Malen ein Motiv verzerre oder zerstöre, ist das keine geplante und bedachte Handlung, sondern es ist ganz anders begründet: Ich sehe, dass das Motiv, wie ich es gemalt habe, irgendwie unansehnlich wirkt, unerträglich aussieht. Dann versuche ich eben, meinem Gefühl zu entsprechen, das ansehnlich zu machen. Und das heißt, derart lange zu malen, zu ändern oder zu zerstören, bis es mir besser gefällt. Und warum das so ist, darüber gebe ich mir keine Rechenschaft.

Interview mit Astrid Kasper 2000, 2000 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die Verwischung macht die Bilder ein bisschen vollkommener. Wenn sie nicht verwischt sind, sind so viele Details nicht gelungen, und das Ganze stimmt auch nicht. Dann kann die Verwischung helfen, das Bild unangreifbarer zu machen, entrückter, verschleierter – so einfach geht das.

Interview mit Astrid Kasper 2000, 2000 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Schätzen Sie Ihre Arbeiten auf Papier genauso hoch ein wie die Gemälde?
Inzwischen ja, aber ich muss ehrlich gestehen, dass es lange gedauert hat. Erst seit 1976 erlaube ich mir derartige kleine Sachen. Bis dahin glaubte ich, alles, was ich mache, theoretisch legitimieren zu müssen. Diese Theorie stimmt nicht ganz, aber ich habe durchaus daran geglaubt. Zeichnen oder Malen auf Papier ist impulsiver, als auf Leinwand zu malen. Es kostet nicht so viel Anstrengung, man kann etwas, das einem nicht gefällt, einfach wieder wegwerfen, während große Leinwände viel mehr Mühe und Zeit erfordern. Ich war der Ansicht, die Direktheit der Papierarbeiten würden zu Willkür und Virtuosität führen. Das wollte ich auf keinen Fall.

Interview mit Anna Tilroe 1987, 1987 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

In der Dresdner Zeit entstanden offenbar, wie das Selbstbildnis zeigt, die ersten Aquarelle.
Das war vor der Akademie, als ich siebzehn war. Damals habe ich viel aquarelliert, aber dann an der Akademie, wurden Zeichnen und Ölmalerei unterrichtet, das war das Selbstverständliche, nicht das Aquarellieren. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass irgend jemand aquarelliert hätte.

Interview mit Dieter Schwarz 1999, 1999 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Galt das Aquarell als minderwertig?
Es gehört nicht zum klassischen Studiengang. Man zeichnete mit Kohle und Bleistift, danach malt man in Öl: kleinere Ölskizzen, größere Ölstudien, schließlich die Ölbilder.

Interview mit Dieter Schwarz 1999, 1999 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ende 1977, Anfang 1978 entstand die erste Folge von Aquarellen. Gab es einen äußeren Grund dafür, dass Sie sich nun intensiver dieser Technik zuwandten?
Es war das Geeignetste und die Entschuldigung für zwei Wochen Urlaub in Davos. Kleine Aquarelle im Hotelzimmer.

Interview mit Dieter Schwarz 1999, 1999 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Tatsächlich bin ich nur durch den Galeristen Fred Jahn dazu gekommen, die Bedenken gegenüber meinen Papierarbeiten zu überwinden und sie auszustellen. Natürlich kam hinzu, dass ich die Aquarelle nach zehn Jahren in einem anderen Licht sehen konnte, und im Zusammenhang mit den seither gemalten Bildern waren sie mir zumindest verständlicher geworden.

Interview mit Dieter Schwarz 1999, 1999 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Das Bildermalen ist eben das Offizielle, die tägliche Arbeit, der Beruf; und bei den Aquarellen kann ich mir eher leisten der Laune nachzugeben, den Stimmungen.

Interview mit Dieter Schwarz 1999, 1999 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Die Aquarelle tragen meist ein Datum, das den Titel ersetzt, aber nicht unbedingt mit dem Entstehungsdatum übereinstimmt.
Also die Jahreszahl stimmt immer, der Monat wohl auch, nur der Tag kann ein anderer sein. Aber das fällt nur im Moment des Niederschreibens auf.

Interview mit Dieter Schwarz 1999, 1999 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Unter den Aquarellen gibt es kaum gegenständliche, die nach Fotografien oder anderen Vorlagen gemalt sind.
Weil es mit den abstrakten spannender ist und schneller geht; es hat einen ähnlichen Effekt wie meine frühere Begeisterung für das Entwickeln von Fotos in der Dunkelkammer. Da entsteht etwas wie von allein, was man nur beobachten muss, um im richtigen Moment einzugreifen, in dem Fall, zu stoppen. Hier geht es also mehr um das Entscheiden als um das Machen können.

Interview mit Dieter Schwarz 1999, 1999 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

In Winterthur wurden gerade zum ersten Mal ausführlich Ihre Zeichnungen gezeigt, dazu ist ein Werkkatalog erschienen. Ich hatte Richter-Zeichnungen vorher selten gesehen.
Ich auch. Weil ich die Zeichnungen im Gegensatz zu den Bildern und Grafiken nicht katalogisiert, nicht nachgehalten, nicht ausgestellt habe. Ab und zu wurden welche verkauft. Ich verstand mich aber nicht als Zeichner. Erst durch die Ausstellung ist mir das wichtiger geworden, und ich habe gesehen, dass doch ganz interessant ist, was ich gemacht habe.

Interview mit Stefan Koldehoff 1999, 1999 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Aber es ist auch nicht wahr, dass ich nichts Bestimmtes wolle – es ist wie bei meinen Landschaften: ich sehe unzählige Landschaften, fotografiere kaum eine von 100.000, male kaum eine von 100 fotografierten. Ich suche etwas ganz Bestimmtes; ich kann daraus schließen, dass ich weiß, was ich will.

Notizen 1986, 1986 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Sie bezeichnen sich manchmal als klassischen Maler.
Ich wüsste gar nicht, wie das gehen sollte, aber egal wie ungenau ich hier das Wort verwende, das Klassische war immer mein Ideal, von Kindheit an, und davon ist auch etwas geblieben, bis heute. Das hatte natürlich auch was Schwieriges, weil ich ja im Vergleich zu dem Ideal immer nur sehr schlecht abschnitt.

Ich habe nichts zu sagen, und ich sage es. Ein Gespräch zwischen Gerhard Richter und Nicholas Serota, Frühjahr 2011, 2011 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Was verbindet denn Vermeer, Palladio, Bach und Cage miteinander?
Es ist diese bestimmte Qualität, um die es doch geht. Die ist weder ausgedacht noch überraschend oder einfallsreich, nicht verblüffend, nicht witzig, nicht interessant, nicht zynisch, nicht planbar und wahrscheinlich nicht einmal beschreibbar. – Einfach gut.

Ich habe nichts zu sagen, und ich sage es. Ein Gespräch zwischen Gerhard Richter und Nicholas Serota, Frühjahr 2011, 2011 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Brechen Sie die Arbeit an abstrakten Bilder häufig ab?
Ja, das heißt, ich verändere sie viel mehr als die gegenständlichen. Es werden ja oft ganz andere Bilder, als geplant war.

Ich habe nichts zu sagen, und ich sage es. Ein Gespräch zwischen Gerhard Richter und Nicholas Serota, Frühjahr 2011, 2011 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Sie haben also zunächst eine Idee im Kopf im Hinblick auf ein Bild, das Sie mit diesem speziellen Gemälde erzeugen wollen? Wie fangen Sie mit den abstrakten Bildern an?
Ach, der Anfang ist eigentlich sehr leicht, weil ich da ja noch ziemlich frei irgendetwas, eine Farbe, eine Form, setzen kann. Und so entsteht bald ein Bild, das auch eine Weile gut aussehen kann, so leicht und bunt und neuartig. Aber so was hält sich höchstens einen Tag, dann sieht es billig und falsch aus. Und dann beginnt die Arbeit – ändern, zerstören, neu entstehen lassen usw., bis es fertig ist.

Ich habe nichts zu sagen, und ich sage es. Ein Gespräch zwischen Gerhard Richter und Nicholas Serota, Frühjahr 2011, 2011 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Wenn Sie nicht an Gott glauben, woran glauben Sie dann?
Also erstens glaube ich, dass man immer glauben muss. Es geht ja überhaupt nicht anders; wir glauben ja auch, dass wir diese Ausstellung machen werden. Aber an den Gott kann ich nicht glauben, der ist mir entweder zu groß oder zu klein und immer unverständlich, unglaubhaft.

Ich habe nichts zu sagen, und ich sage es. Ein Gespräch zwischen Gerhard Richter und Nicholas Serota, Frühjahr 2011, 2011 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Gibt es Sujets, die Sie nicht malen können?
Also ich glaube nicht, dass es Subjets gibt, die man nicht malen kann, aber für mich gibt es eine Menge, die ich nicht malen kann.

Ich habe nichts zu sagen, und ich sage es. Ein Gespräch zwischen Gerhard Richter und Nicholas Serota, Frühjahr 2011, 2011 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Was versuchen Sie mit diesen realistischen Bildern zu erreichen?
Ich versuche von dem, was ich gesehen habe und mich berührt hat, ein Bild zu malen, so gut wie möglich. Das ist alles.

Ich habe nichts zu sagen, und ich sage es. Ein Gespräch zwischen Gerhard Richter und Nicholas Serota, Frühjahr 2011, 2011 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Bei einem Pinsel üben Sie die Kontrolle aus. Die Farbe kommt auf den Pinsel und Sie setzen die Markierung. Aufgrund Ihrer Erfahrung wissen Sie dann, was passieren wird. Bei dem Rakel verlieren Sie die Kontrolle.
Nicht ganz, nur zum Teil. Es hängt von dem Winkel ab, dem Druck und der bestimmten Farbe, die ich auftrage.

Ich habe nichts zu sagen, und ich sage es. Ein Gespräch zwischen Gerhard Richter und Nicholas Serota, Frühjahr 2011, 2011 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Diesmal ist der ganze Boden mit zerschnittenen Illustrierten bedeckt, neue Macke (8 Tage) von mir: Bilder aus Zeitschriften, die Druckfarbe mit Lösemittel aufweichen u. zweckentsprechend verwischen. Macht unheimlich Freude. Illustrierte haben mir es ja schon immer angetan, sicher der dokumentarischen Aktualität wegen. Hab auch schon ein paar Versuche gemacht, so was in groß zu malen. Mal sehen wie es weiter geht. Treibe da was, das in etwa einer neuen Richtung ähnelt: Pop-Art (von populär), kam wohl in Amerika auf u. erhitzt die Gemüter.

Briefe an zwei Künstlerfreunde. Aus Düsseldorf am 10. März 1963 an Helmut und Erika Heinze, 1963 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ich male vorwiegend Fotos ab (aus Zeitschriften oder auch private), das ist in einer Linie ein stilistisches Problem, die Form ist naturalistisch, obwohl das Foto nicht Natur ist, sondern Vorfabrikat (,second-hand-world' in der wir leben), ich muß nicht künstlich stilisieren, denn die Stilisierung (Deformierung in Form u. Farbe) trägt nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen dazu bei, einen Gegenstand u. Inhalt zu verdeutlichen (Gewöhnlich wird die Stilisierung zum Hauptproblem, das alles andere (Gegenstand, Inhalt) verschüttet, sie wird zur unmotivierten Künstlichkeit, zum tabuierten Formalismus.

Briefe an zwei Künstlerfreunde. Aus Dänemark am 19. Juli 1963 an Helmut und Erika Heinze, 1963 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Familienfotos, Gruppenaufnahmen – das ist etwas wunderbares. Und so gut wie jeder alte Meister, genau so reich, und mindestens so gut komponiert (was heißt das schon).

Briefe an zwei Künstlerfreunde. Aus Düsseldorf am 22. September 1964 an Helmut und Erika Heinze, 1964 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Aber ich möchte dahin kommen, daß ich eine Illustrierte wahllos zerschneide und daß die Teile jeweils ein Bild geben.
Ich kann es nicht richtig erklären. So such ich mir jetzt schon das belangloseste u. unkünstlerischste an Fotomaterial was ich finden kann. Und möchte dahin kommen daß diese Belanglosigkeit erhalten bleibt zugunsten von etwas, was von allem artifizierten sonst überdeckt würde.

Briefe an zwei Künstlerfreunde, Aus Düsseldorf am 22. September 1964 an Helmut und Erika Heinze, 1964 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Sie würden diese inhaltlichen Deutungen Ihres Werks aber heute mit Interesse verfolgen und sagen, die Motive kamen nicht zufällig zustande?
Es hat alles einen Grund und so auch die Auswahl der Photos, die eben nicht zufällig war, sondern der Zeit entsprach, ihrem Glanz und Elend und meinem Empfinden.

Über Pop, Ost-West und einige der Bildquellen. Uwe M. Schneede im Gespräch mit Gerhard Richter, 2010 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ihre Generation war ja wesentlich geprägt von 1968, das war bei Ihnen nicht der Fall. Hatte das auch mit der DDR zu tun?
Das hatte absolut mit der DDR zu tun. Ich wusste wirklich nicht, was die Protestierer im Westen eigentlich wollten. Es war phantastisch hier, so viel Freiheit, und das bezeichnen die dann als muffig, spießig und faschistisch, als bleierne Zeit. Bleiern war die DDR, und nur sie hatte die Methoden der Einschüchterung, der Gewaltausübung und Lügenpropaganda fast eins zu eins vom Nazi-Deutschland übernommen.

Über Pop, Ost-West und einige der Bildquellen. Uwe M. Schneede im Gespräch mit Gerhard Richter, 2010 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Meinen Sie, man könne bei Ihnen von einer Art Wiedergeburt der Malerei aus Fluxus sprechen?
Ja, äußerlich, also vom Bild her, war es die Pop Art mit ihren neuen Bildmotiven, aber Fluxus brachte noch eine weitere Dimension rein, die eine Ungehörigkeit und einen Irrsinn hatte. Das war faszinierend. Diese Aktionen in Aachen und Düsseldorf, von Cage, Paik, Beuys und vielen anderen, das habe ich nie wieder erlebt.

Über Pop, Ost-West und einige der Bildquellen. Uwe M. Schneede im Gespräch mit Gerhard Richter, 2010 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Sie schrieben an Helmut Heinze 1963, in den Illustrierten fänden sich die „Leitbilder“ der Zeit, es sei hochnäsig, sich als Künstler gegen solche populären Bilder zu stellen. Wollten Sie Bilder machen, die den Menschen gefielen?
Gefallen wollen, das hat einen schlechten Ruf, zu Unrecht, das hat ja viele Seiten: Erst einmal müssen Bilder ein Interesse wecken, damit man sie überhaupt ansieht, und dann müssen sie was zeigen, was das Interesse festhält – und natürlich müssen sie eine Ansehlichkeit haben, so wie ein Lied gut gesungen sein muss, sonst rennt man ja weg. Diese Qualität kann man doch gar nicht wichtig genug nehmen, und ich habe mich auch immer gefreut, wenn meine Sachen auch den Museumswärtern, den Laien gefallen.

Über Pop, Ost-West und einige der Bildquellen. Uwe M. Schneede im Gespräch mit Gerhard Richter, 2010 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Können Sie noch etwas darüber sagen, wie Sie die Auswahl der Photos vorgenommen haben und wie es zu dieser Schachtelung der Zeiten und der Geschehen gekommen ist?
Ich weiß noch, dass ich dachte, alle diese sensationellen Photos unbedingt vermeiden zu müssen, die Erhängte, der Erschossene usw. Ich sammelte sehr viel Material, auch viele banale, belanglose Photos und bin dann im Lauf dieser Arbeit auf genau die Bilder gekommen, die ich eigentlich vermeiden wollte, die also die ganz vielfältigen Geschichten auf den Punkt brachten.

Über Pop, Ost-West und einige der Bildquellen. Uwe M. Schneede im Gespräch mit Gerhard Richter, 2010 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Können Sie sagen, was es gewesen sein mag, das Sie gerade 1988 dazu gebracht hat, den Mut zu diesem Zyklus aufzubringen?
Da musste sicherlich über die Jahre hinweg so viel zusammenkommen, anwachsen an Erfahrungen allgemeiner und persönlicher Art, damit so eine Idee und der Entschluss entsteht und dann auch realisiert wird.

Über Pop, Ost-West und einige der Bildquellen. Uwe M. Schneede im Gespräch mit Gerhard Richter, 2010 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Und was die RAF selbst anging?
Über die war ich erschrocken, und mit Staunen nahm ich die unglaubliche Verblendung wahr, mit der da unsere böseste und grausamste Seite zum Vorschein gebracht wurde. Aber das Erschreckendste für mich waren die Sympathien, die diesen Besessenen entgegengebracht wurden. So sind wir halt –

Über Pop, Ost-West und einige der Bildquellen. Uwe M. Schneede im Gespräch mit Gerhard Richter, 2010 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Ich habe am Anfang versucht, alles darin unterzubringen, was zwischen Kunst und Müll lag, was mir irgendwie wichtig erschien und zu schade war, um es wegzuwerfen. Nach einer Weile im Atlas haben manche Blätter dann doch einen anderen Wert erhalten, das heißt, es schien mir, dass sie auch allein bestehen könnten, nicht nur im Schutz des Atlas.

Interview mit Dieter Schwarz 1999, 1999 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14

Pop-Art ist keine amerikanische Erfindung und für uns kein Importartikel, wenngleich die Begriffe und Namen zum größten Teil in Amerika geprägt wurden und sie dort schneller Popularität erlangen als bei uns in Deutschland. Dass diese Kunst bei uns organisch und eigenständig wächst und gleichzeitig eine Analogie zur amerikanischen Pop-Art darstellt, ergibt sich aus bestimmten Voraussetzungen psychologischer, kultureller und ökonomischer Art, die hier wie in Amerika die gleichen sind. [...] Wir zeigen erstmalig in Deutschland Bilder, für die Begriffe wie Pop-Art, Junk-Culture, Imperialistischer oder Kapilatistischer Realismus, neue Gegenständlichkeit, Naturalismus, German Pop und einige ähnliche kennzeichnend sind.

Brief an die „Neue Deutsche Wochenschau", 29. April 1963, 1963 QUELLE
Gerhard Richter: Text. Writings, Interviews and Letters 1961–2007, Thames & Hudson, London, 2009, p. 14